Schlagwort-Archive: Entwicklung

Lernerfolg bestimmen

Seit ich mich entschieden habe, Lehrerin zu werden, bekomme ich von Familie, Freunden und Bekannten immer wieder Hinweise auf interessante Zusammenhänge oder Material. Zu meinem Geburtstag habe ich ein kleines Büchlein geschenkt bekommen, geschrieben von Remo Largo, einem schweizer Kinderarzt, Entwicklungsforscher und Buchautor. „Wer bestimmt den Lernerfolg: Kind, Schule und Gesellschaft?“

Largo

Gestern Abend habe ich mir das Buch zu Gemüte geführt. Anders als viele Literatur an der PH lesen sich Texte von Largo ohne Anstrengung. In der ersten Hälfte des Buches gibt Largo Antwort auf die im Titel gestellte Frage, der zweite Teil des Buches ist ein Interview mit dem Herausgeber Reinhard Kahl.

Im Unterschied zu einem Krimi, wo es den ganzen Lesespass verdirbt, wenn der Mörder verraten wird, möchte ich hier mit gutem Gewissen die Antwort verraten, wer gemäss Largo den Lernerfolg bestimmt: Es ist das Kind!
Er bezieht sich bei dieser Aussage auf die Hattie-Studie (genau, diese ominöse Studie, die an der PH in allen Fächern ab und zu auftaucht), die zeigt, dass Familie, Peers, Schule und Schulleitung (also die Gesellschaft) 20% zum Lernerfolg beitragen, Lehrer 30% und die Schüler selber mit 50% den grössten Anteil ausmachen.

Ein besonderer Zusammenhang, der mir bei der Lektüre zum ersten Mal bewusst wurde: In meiner Generation sind die meisten Kinder Wunschkinder, oft dazu noch Einzelkinder, und entsprechend gut machen wollen es die Eltern. Das Wort machen fällt dabei beosonders auf, denn gemäss Largo werden Kinder nicht zu Personen gemacht, sondern sie können sich entwickeln nach intrinsischen Fähigkeiten und Eigenschaften. Diese sind von Anfang an angelegt, und von Kind zu Kind verschieden. Diese Verschiedenheit ist für eine Gesellschaft wünschenswert, denn sie bietet ein breites Spektrum an Fähigkeiten, und wenn diese ausgelebt werden dürfen, ist das für Kind/Jugendliche/Erwachsene, die sich ausleben dürfen, für das Umfeld und für die Gesellschaft eine Bereicherung.

Largo schreibt, dass die Politik versucht, „die Schule mit Druck und Gleichmacherei nach ihren Vorstellungen zu gestalten, und missachtet dabei die Individualität und Vielgestaltigkeit der menschlichen Natur.“

Auch wenn Largo viel über das Kind spricht, geht er auch auf die Rolle der Lehrperson ein, was mich natürlich besonders interessiert. So schreibt er, dass Lehrer sich weiterbilden müssen, „wenn sie nicht mehr ein Hemmschuh für die Entwicklung der Kinder sein wollen.“ Und: „Die Aufgabe des Lehrers ist es nach Hattie (2009), nicht nur die Klasse, sondern jeden einzelnen Schüler im Blick zu haben. Ein guter Unterricht besteht für Hattie darin, dass möglichst jeder Schüler versteht, was der Lehrer will und was der Inhalt der Schulstunde ist. Nur so bleiben alle Schüler motiviert. […] Respekt, Wertschätzung, Hilfsbereitschaft und Vertrauen sind Grundvoraussetzungen für einen guten Unterricht.“ Largo schreibt auch viel über die Heterogenität in einer Klasse, und zwar in Bezug auf die Herkunft und die Fähigkeiten. „Ein wesentlicher Faktor dabei ist, dass nicht nur die Variabilität zwischen den Schülern, sondern auch beim einzelnen Schüler selbst gross ist.“

„Die Vielfalt unter den Schülern ist und bleibt die eigentliche Herausforderung für die Lehrpersonen. Die Eigenschaften, die – unabhängig vom Schulsystem – den guten Lehrer ausmachen, bestehen in einem hohen Masse darin, in wie weit er auf den individuellen Entwicklungsstand des Schülers eingehen, den Schüler motivieren und beim Lernen unterstützen kann.“

Lehrpersonen müssen also viel über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wissen und ihre Lehrtätigkeit kontinuierlich überprüfen, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern.

Ich möchte mit einem weiteren Zitat aus Largos Buch abschliessen:

„Jedes Kind ist ein Unikat. Die Kinder kommen schon einmalig auf die Welt und werden im Laufe ihres Lebens immer verschiedener.“

Getaggt mit , ,